Wer Anerkennung sucht, der ist gefährdet – wer einsam ist, arm dran. Wir wollen gehört werden,
gemocht, geliebt, behütet und begehrt sein. Weil aber Zurückweisung weh tut, liebt sich am
leichtesten, was fern ist oder nicht widersprechen kann – ein Ideal, ein Traum, ein Schoßhund, eine
Internetbekanntschaft. Dass die heute durch individuelle Mobilität und Flexibilität verbreitete
Fernliebe eine gute Möglichkeit ist, sich nicht allein zu fühlen, aber den Niederungen eines
gemeinsamen Alltags zu entgehen und sehnsüchtige Phantasien zu hegen, wusste schon
Shakespeare.
In den 154 Sonetten seines 1609 herausgegebenen Gedichtbandes bezieht sich ein Ich obsessiv auf
ein meist fernes Du, das es in genussvollem Schmerz zu lieben vorgibt und dem es sich restlos
unterwerfen möchte. Ansprüche an den Anderen werden nicht gestellt, denn „Liebe hat ja weder
Recht noch Grund“ (Sonett 49), so frei ist schließlich das Herz. Das Leiden gehört hier zum
Programm und das Nachlassen der Liebe des angebeteten Du ist nur eine Frage der Zeit. Doch hier scheitern keine
Lebensentwürfe – die Liebe ist ein Spiel. Gefühle und deren Abgründe werden von Shakespeare
wortreich zelebriert und die Spielregeln mit nützlichen Hinweisen serviert: Aus Mitgefühl Liebe
auch mal heucheln und immer wieder schweigen, um für den Anderen interessant zu bleiben.
Vierhundert Jahre später erscheint uns die Liebe weniger spielerisch als bitterer Ernst in der Frage
nach dem richtigen Leben, und wenigstens hier soll alles echt sein, wir verlangen nach totaler Nähe
und Authentizität. Das einzigartige Glück der wahren Liebe soll gegen die Bedrohungen einer
mitleidlosen Welt stärken und wärmen, eine kuschelige Komfortzone der Intimsphäre bereiten, in
der wir die – von keiner Leistung und Performance abhängige – totale Bestätigung unseres
gehetzten Selbst finden. Ist das zu viel verlangt?
Der Trost der Dinge – Shakespeares Sonette observiert Privatnischen, gibt Neurosen eine Bühne
und öffnet einen installativen Aufführungsraum mit „echter Fiktion“ für alle, die Nahweltbedarf
haben.
Anna Volkland
Mit Rahel Weiss, Elke Wieditz, Christoph Heckel, Christian Klischat, Hagen Ritschel
Ein Kennwort des Inszenierungsmitschnitts erfragen Sie bitte unter About / Kontakt
(Mitschnitt der Generalprobe)